Brillen - Rendite mit Durchblick
Johannes Gutenberg, Mainzer Handwerker und Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, wurde 1999 von amerikanischen Journalisten zum »Mann des Jahrtausends« gewählt. Wer weiß, vielleicht wäre ihm diese posthume Ehrung niemals zuteil geworden, hätte es nicht schon ein paar Hundert Jahre vor Gutenberg die ersten einfachen Sehhilfen gegeben. Denn was bringt einem Menschen das spannendste und interessanteste Buch, wenn er es mangels Sehschärfe nicht lesen kann?
Vom Lesestein zur Schläfenbrille
Da traf es sich gut, dass der arabische Gelehrte Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham (965–1039) schon frühzeitig auf die Idee kam, das Auge mithilfe einer geschliffenen Linse zu unterstützen. Aus Quarz oder Bergkristall entstanden später die ersten Lesesteine – einfache Halbkugeln, die auf das Schriftstück gelegt wurden und somit eigentlich eher die Vorläufer der heutigen Lupen waren. Später wurden die Linsen aus dem Edelstein Beryll geschliffen, von dem man den Begriff »Brille« ableitete. Den Lesesteinen folgten die Stielbrillen. Sie bestanden aus kleineren, flach geschliffenen Linsen, die man mit einem Stiel direkt vor die Augen halten konnte. Schließlich wurden die Linsen in Rahmen aus Holz, Horn oder Eisen gefasst und zusammengenietet. Diese Nietbrillen sahen den heutigen Sehhilfen schon sehr ähnlich, sie mussten jedoch immer vom Träger vor die Augen gehalten werden. Er hatte somit nur noch eine Hand frei, was sich bei der Arbeit als ziemlich hinderlich erwies. Zunächst befestigte man die gefassten Linsen daher an Kopfbedeckungen (Mützenbrillen). Das war zwar ganz praktisch, sah aber irgendwie schräg aus. Der Durchbruch gelang erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit der »Schläfenbrille«. Sie wurde mit zwei Bügeln ausgestattet, die auf den Ohrmuscheln auflagen.
Brillen prominenter Zeitgenossen erzielen auf Auktionen Höchstpreise
1,8 Millionen Dollar für eine Brille von Mahatma Gandhi
Zwei Jahre später versteigerte das Auktionshaus Antiquorum in New York eine Brille von Mahatma Gandhi für 1,8 Millionen Dollar. Dafür bekam der Käufer – ein indischer Milliardär – noch Gandhis getragene Ledersandalen, seine Taschenuhr sowie eine Schüssel mit Teller dazu. Verglichen damit war die im April 2012 vom britischen Auktionator Mullock’s versteigerte Gandhi-Brille fast schon ein »Schäppchen«: Sie wechselte für rund 42.500 Euro den Besitzer.
Materialien wie Holz, Schildplatt, Gold oder Silber begehrt
»Je prominenter der Träger einer Brille war, desto wertvoller ist sie«, weiß Karl-Heinz Wilke, Optiker und Gründer des Hamburger Brillenmuseums, der seit vielen Jahren historische Sehhilfen sammelt. »Über die Preisentwicklung entscheidet zudem das Material. Holz, Schildplatt, Gold oder Silber sind begehrt«, fügt der Experte hinzu. Darüber hinaus seien die Seltenheit und das Alter wichtige Kriterien.
Die Zahl der international aktiven Sammler steigt
Lohnt sich also das Spekulieren mit Spekuliereisen? Wilke ist optimistisch: »Die Zahl der international sehr aktiven Sammler steigt stetig. Da aber die Menge an historisch wertvollen Brillen nicht beliebig vermehrbar ist, gehen fast zwangsläufig auch die Preise nach oben.«
Käufe schon im drei- oder vierstelligen Bereich möglich
Wer sich einige interessante Objekte aus der Kulturgeschichte des klaren Durchblicks anschaffen möchte und nicht unbedingt auf so prominente Vorbesitzer wie John Lennon oder Mahatma Gandhi Wert legt, sollte mit Investitionen im drei- oder vierstelligen Bereich rechnen. Das Wiener Auktionshaus Dorotheum versteigerte 2012 eine Klemmbrille mit Messinggestell und opaleszentem Glas mit einem dazugehörigen Buch aus dem Jahr 1691 für 2.000 Euro. Eine Brille aus Eisen mit Hornrändern aus dem zu Ende gehenden 18. Jahrhundert brachte 425 Euro ein. Und für zehn chinesische Brillen aus Horn, Messing, Glas und Quarz samt Etuis aus Holz, Lack, Shagreen und Perlmutt fiel der Hammer bei 1600 Euro.
Auch Brillenetuis sind interessant
»Brillenetuis sind sehr wichtig. Sie können manchmal wertvoller als die entsprechende Brille sein«, sagt Karl-Heinz Wilke. Mitunter liefern diese Etuis zudem interessante Erkenntnisse. Zum Beispiel, welcher Optiker das Vertrauen Gandhis genoss. Es war »H. Cannam Optician« in Gloucester.
Natürlich hat auch Karl-Heinz Wilke Favoriten in seiner Sammlung. Dazu gehören zum Beispiel eine Stiellorgnette aus hellem Schildplatt mit Durchbruchsschnitzung sowie eine chinesische Mandarin-Brille mit Rauchquarzgläsern.
Sonnenbrillen erzielen bemerkenswerte Preise
Brillen erfüllen derweil nicht nur den praktischen Zweck der Sehhilfe, längst sind sie darüber hinaus modische Accessoires geworden. Monokel etwa waren einst für jeden Dandy unverzichtbar. Und schon früh spielte die Sonnenbrille eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auch die erzielen mitunter bemerkenswerte Preise. Das Dorotheum zum Beispiel versteigerte im Frühjahr 2012 eine Sonnenbrille mit grünen Gläsern und einem Schildplattrahmen samt Etui aus grün eingefärbter Rochenhaut aus dem Jahr 1830 für 813 Euro.
Investmentkompass
Auf Vollständigkeit achten
Ist das Original-Etui vorhanden, wirkt sich dies in der Regel preissteigernd aus.
Wo kaufen und verkaufen?
Am besten über renommierte Auktionshäuser oder privat in Sammlerkreisen.
Weitere Informationen gibt es unter anderem bei Brillenmuseen:
- in Deutschland: www.brillenmuseum.de (Geldern) und www.brillenhaus-wilke.de (Hamburg)
- in den Niederlanden: www.brilmuseumamsterdam.nl (Amsterdam)
- in Großbritannien: British Optical Association Museum (www.college-optometrists.org) und www.antiquespectacles.com (Online-Museum).