(Orient-)Teppiche - Rendite aus Wolle und Seide
Es klingt wie ein Märchen aus Tausendundeine Nacht: Da bot ein kleines Auktionshaus in Bayern einen Perserteppich mit einem Mindestpreis von 900 Euro an. Nach einem hitzigen Bietergefecht fiel der Hammer bei gut 20.000 Euro. Eigentlich ein lukratives Geschäft für Verkäufer und Auktionator gleichermaßen. Doch dann wurde dieser Teppich vom Auktionshaus Christie’s in London für umgerechnet über sieben Millionen Euro versteigert. Eine Traumrendite, zumal wenn man bedenkt, dass zwischen dem Kauf und Verkauf des begehrten Perserteppichs gerade einmal sechs Monate lagen.
Die Provenienz hat Einfluss auf den Wert
Aber diese Zeit reichte aus, um das faszinierende Geheimnis dieses außergewöhnlichen Stücks zu ergründen. Es handelt sich um einen sehr seltenen Vasenteppich aus dem iranischen Kerman. Das allein erklärt freilich nicht diese spektakulären Preissprünge. Was das Fieber solventer Sammler von seltenen Orientteppichen steigen ließ, war vielmehr die Provenienz des »Persers«. Der Teppich befand sich nämlich lange Zeit im Besitz der französischen Kunstmäzenin Comtesse de Béhague (1870-1939). »Nicht auszuschließen, dass die Comtesse den Teppich in ihrem Schlafzimmer hatte«, regte William Robinson, Experte für Islam-Kunst, die Fantasie potenzieller Käufer weiter an.
Es gehört gleichsam zum kleinen Einmaleins des Kunsthandels, dass sich ein prominenter Vorbesitzer wertsteigernd auf das Objekt auswirkt. Das gilt auch für seltene Orientteppiche. So ließ der Emir von Qatar für einen Täbriz-Teppich aus dem Hause Rothschild im Juli 1999 umgerechnet rund 1,8 Millionen Euro zahlen.
Teppiche als interessantes Prestige- und Wertobjekt
»Trotz temporärer Schwankungen in der Nachfrage galt der Teppich schon immer als interessantes Prestige- und Wertobjekt«, sagt Wolfgang Matschek, Experte für Orientteppiche, Textilien und Tapisserien im Wiener Auktionshaus Dorotheum. Derzeit sei die Nachfrage aus Asien, vor allem Indonesien, sehr stark. Aber auch Italien, Deutschland, England und die USA seien gute Märkte. Zunehmend interessierten sich überdies wohlhabende Russen für Orientteppiche als Kapitalanlage. Das spricht für weiter steigende Preise, obwohl der US-amerikanische Markt für Perserteppiche aufgrund des gegen den Iran verhängten Embargos aktuell geschlossen ist.
Der Wert alter Orientteppiche hängt von einer Vielzahl von Kriterien ab
»Im Nahen Osten, wo die meisten Teppiche hergestellt werden, haben früher die Weber selbst ihre Erzeugnisse als Wertanlage gesammelt und in schlechten Zeiten verkauft«, so Experte und Autor George O’Bannon (Orientteppiche). Wer heute ein außergewöhnliches Stück erstehen möchte, muss zwar nicht unbedingt Millionen, aber doch eine hohe vierstellige oder gar fünfstellige Summe investieren. Zudem ist viel Wissen erforderlich, denn der Wert alter Orientteppiche hängt von einer Vielzahl von Kriterien ab. Die Preise seien auf das jeweilige Einzelstück zugeschnitten, ähnlich wie bei einem Gemälde, sagt O’Bannon. Der Anleger sollte immer mit dem Risiko hoher Schwankungen rechnen.
Für antike Teppiche gelten individuelle Bewertungen
Dennoch gibt es – neben der Provenienz des guten Stücks – mehrere Qualitätskriterien, die über den Wert eines Teppichs bestimmen. »Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass ein besonders feiner Teppich automatisch sehr teuer sei. Das mag bei neuen Teppichen gelten, bei den alten aber hat längst schon ein anderer für diese Arbeitsleistung gezahlt«, gibt Wolfgang Matschek zu bedenken. »Bei antiken Teppichen wird individuell bewertet. Nicht die Feinheit entscheidet, sondern die Bedeutung des Stücks in seiner Gruppe, die Farbe, der Erhaltungszustand, der Flor und nicht zuletzt die aktuelle Modeströmung.« So könne ein grober Teppich, der in vielen anderen Qualitätskriterien überzeuge, deutlich teurer sein als ein feiner. Sogar Fragmente, also lediglich Teile antiker Teppiche, erzielen meist Preise von mehreren Tausend Euro. Sie dienen dann natürlich nicht als Bodenbelag, sondern werden auf Leine genäht und zieren die Wand – wie ein Gemälde.
Nomadenteppichen versus Dorfteppiche
Hoch im Kurs stehen derzeit unter anderem Teppiche aus Turkmenien, dem klassischen Herkunftsland von sogenannten Nomadenteppichen. Die von Ort zu Ort ziehenden und üblicherweise in Zelten lebenden Völker waren auf transportable Webstühle angewiesen. Und die Farbstoffe für die Teppiche wurden aus wild vorkommenden Pflanzen gewonnen. Die Zahl der Ornamente ist bei Nomadenteppichen eher begrenzt. Die Knüpfer fertigten die Muster aus dem Gedächtnis an und variierten sie von Teppich zu Teppich. Aus dem Kaukasus kommen hingegen in erster Linie Dorfteppiche, die von Knüpfern in bäuerlichen Gemeinschaften gefertigt wurden. Im Gegensatz zu den Nomaden konnten sie sich feststehender Web- und Knüpfstühle bedienen, außerdem stand ihnen meist ein breites Spektrum an Naturfarben zur Verfügung.
Die Ursprungsländer sind weitgehend leergekauft
Wolfgang Matschek gerät ins Schwärmen, wenn er von kaukasischen Teppichen erzählt: »Das sind faszinierend farbenfrohe, dicke Dorfteppiche. Nur leider findet man im Kaukasus kaum noch solche Stücke. Gleiches gilt für die begehrten antiken Teppiche aus der Türkei. Die Ursprungsländer sind weitgehend leergekauft«, sagt der Experte. Auch nach Perserteppichen mit floraler Musterung besteht mittlerweile wieder eine steigende Nachfrage mit anziehenden Preisen. Begehrt sind darüber hinaus alte Seidenteppiche, zum Beispiel aus Zentralpersien oder der Türkei. Zu den versteckten Perlen zählen schließlich die Tiger-Teppiche aus Tibet, von denen man bis in die 1970er-Jahre kaum etwas wusste. Dabei handelt es sich um sehr seltene Baumwoll-Teppiche mit Tigerfellmusterung. Schätzungen zufolge gibt es weltweit weniger als 200 authentische Tiger-Teppiche. Wer einen besitzen möchte, muss in der Regel mindestens den Gegenwert eines Kleinwagens investieren. Aber welcher passionierte Sammler und Anleger mag bei solch raren Stücken noch auf dem Teppich bleiben?
Investmentkompass
Die wichtigsten Herkunftsländer
Türkei, Persien (Iran), Kaukasus, Turkmenien, Turkestan, Usbekistan, Tibet, Indien und Afghanistan.
Alt oder antik?
Antike Teppiche sollten mindestens 100 Jahre, semi-antike mehr als 50 Jahre alt sein. Bei 50 Jahren oder jünger spricht man von alten Teppichen.
Checkliste zur Prüfung alter Teppiche
- Zustand: Ist der Teppich vollständig oder zerschnitten? Ist der Flor abgenutzt, sind die Kanten unversehrt und die Abschlüsse (wo die Fransen sind) vollständig? Wurde der Teppich repariert (Mottenschaden)?
- Farbe: Sind die verwendeten Naturfarben typisch für den Teppich? Weist er eine natürliche Patina auf, die sich im Laufe der Jahrzehnte oder Jahrhunderte ergibt?
- Seltenheit: Gibt es nur noch wenige Stücke von vergleichbarer Art, handelt es sich gar um ein Unikat?
- Ist es ein Nomaden- oder Dorfteppich?
- Wolle: Wurde die jeweils typische Wolle verwendet?
Einkaufsquellen
Fachhandel und anerkannte Auktionshäuser.
Perspektiven
Wertsteigerungspotenzial besteht bei farbenfrohen Dorfteppichen aus dem Kaukasus und antiken Teppichen aus der Türkei, ferner bei Perserteppichen mit floraler Musterung sowie bei alten Seidenteppichen.