Porzellan - wirklich das »weiße Gold«?
Jede Krise kennt auch ihre Gewinner. Auf dem Höhepunkt der Euro-Turbulenzen, als allenthalben über eine mögliche Währungsreform diskutiert wurde und sogar eine in Finanzkreisen sehr angesehene Zeitung der Deutschen Bundesbank augenzwinkernd empfahl, schon mal neue D-Mark-Scheine drucken zu lassen, als Sparer und Anleger keiner Empfehlung ihrer Banker mehr so recht glauben wollten – in dieser dramatischen Situation also wurde andernorts richtig Geld verdient. Die Porzellanmanufaktur Meissen verzeichnete zu ihrem 300-jährigen Jubiläum beträchtliche Umsatzsprünge. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2010 lag das Plus bei rund 30 Prozent. Und gefragt war alles, was rar und teuer ist.
Limitierte Kaminuhr Chronos 300
Die Kaminuhr »Chronos 300«, die in einer Limitierungshöhe von zehn Stück vorgestellt worden war, begeisterte Porzellanliebhaber und Anleger trotz ihres stolzen Preises von 100.000 Euro gleichermaßen. Innerhalb kürzester Zeit war diese edle Uhr ausverkauft. Für das letzte noch verfügbare Exemplar zahlte ein Käufer bereits 130.000 Euro. Es bedarf nicht allzu viel Fantasie, um sich auszumalen, was heute für eine solche Kaminuhr gezahlt würde. Renditen zwischen 30 und 100 Prozent in wenigen Monaten erscheinen durchaus realistisch.
Traumhafte Renditen mit »weißem Gold«?
Laurenz Lenffer, Inhaber des gleichnamigen Hamburger Porzellanhauses, empfiehlt eine differenzierte Betrachtungsweise: Zunächst sei Porzellan als Tischkultur ein Lifestyleprodukt. Manufakturgeschirre, die handwerklich einzigartig seien und deren Herstellungstechnik nur noch von wenigen Personen beherrscht werde, eigneten sich aber sehr wohl als alternative Form der Kapitalanlage. Ursula Rohringer, Porzellan- und Glasexpertin des Wiener Auktionshauses Dorotheum, nennt die Voraussetzungen, unter denen das »weiße Gold« als Geldanlage infrage kommt: »Das Porzellan muss sich durch Authentizität auszeichnen. Das heißt, erst später bemalte oder gar gefälschte Objekte eignen sich natürlich nicht. Außerdem muss das Porzellan von hoher Qualität und in einem 1a-Zustand sein«. Vor allem aber: Der Investor sollte sich selbst gut auskennen. Einfach Aktien zu verkaufen und die Erträge in Porzellan umzuschichten, ohne über das nötige Hintergrundwissen zu verfügen, wäre äußerst riskant. »Zunächst erscheint es wichtig, dass sich der Anleger selbst für Porzellan wirklich interessiert und bereit ist, sein Wissen zu erweitern«, rät denn auch Ursula Rohringer.
Limitierte Stücke aus Meissen haben gute Chancen
Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, stehen die Aussichten auf gute Renditen nicht schlecht. Vor allem limitierte Stücke aus der Manufaktur Meissen haben gute Chancen, mittel- bis längerfristig im Wert deutlich zuzulegen. »Bei Meissner Porzellan sind Wertsteigerungen von bis zum 20-Fachen des Ursprungspreises fast normal«, stellt der österreichische Sammler und Porzellanexperte Otto Schober fest. Und eine im Oktober 2008 veröffentlichte Studie aus ChefInfo-Finanzen-Spezial belegt: Das begehrte Porzellan mit den gekreuzten Schwertern als weltbekanntes Logo verzeichnete in der Vergangenheit eine durchschnittliche Wertsteigerung von über 13 Prozent pro Jahr. Damit stellt es sogar die beliebten Sachwerte Gold und Immobilien in den Schatten.
Auktionsrekorde bei Christie’s
Beachtliche Preise wurden auch auf der Porzellanauktion »Weißes Gold« von Christie’s im Frühjahr 2010 erreicht – also zu Beginn der Euro-Krise. Vor allem Porzellan aus den Manufakturen Meissen und Sèvres war gefragt und erzielte höchste Ergebnisse. Eine blauweiße Chinoiserie-Balustervase mit Augustus-Rex-Marke etwa wechselte für umgerechnet über 145.000 Euro ihren Besitzer. Eine Teekanne aus Böttger-Steinzeug war von den Christie’s-Experten ursprünglich auf maximal 7.200 Euro taxiert worden. Tatsächlich fiel der Hammer des Auktionators erst bei fast 71.000 Euro. Und eine lapislazuliblaue Urnenvase aus Sèvres-Porzellan, die 1991 noch 122.000 US-Dollar gekostet hatte, wurde nun für umgerechnet 290.000 Euro versteigert.
Prunkvolle Service, filigrane Figuren und feine Gefäße
Als kostbare Sammelobjekte sind prunkvolle Service, filigrane Figuren und feine Gefäße aus den international anerkannten Manufakturen begehrter als Antiquitäten und Briefmarken. Und nach Lage der Dinge ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Nachfrage nach dem »weißen Gold« irgendwann abflauen könnte. Im Gegenteil, vor allem aus dem ostasiatischen Raum und aus Russland ist eine seit Jahren zunehmende und von der Wirtschaftskrise kaum nennenswert beeinträchtigte Nachfrage festzustellen.
Die Manufaktur in Meissen wurde bereits 1710 gegründet
Die Reichen, Schönen und Mächtigen hat edles Porzellan schon immer fasziniert. Unter dem Protektorat des sächsischen Kurfürsten und Königs zu Polen August des Starken wurde die heutige Manufaktur Meissen 1710 auf der Albrechtsburg in Meißen bei Dresden gegründet. Friedrich der Große wiederum war so stolz auf seine Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM), dass er ihr 1763 ein Markenzeichen besonderer Art verlieh: Seither schmückt das königsblaue Zepter das kostbare Porzellan aus Berlin. Die Manufaktur Fürstenberg wurde 1747 im Auftrag von Herzog Carl I. von Braunschweig gegründet. Elf Jahre später ließ der für seine Prunksucht bekannte Herzog Carl Eugen von Württemberg per Dekret die »Herzoglich-ächte Porcelaine-Fabrique« in Ludwigsburg bei Stuttgart aus der Taufe heben.
Die Entdeckung des weißen Prozellans
Keine Frage, das »weiße Gold« hatte es den Herrschenden angetan. Obwohl die Grundstoffe eher profan anmuten. Im Wesentlichen besteht Porzellan aus drei Bestandteilen: Kaolin, Feldspat und Quarz. Wie man aus diesen Ingredienzien allerdings weißes Porzellan herstellen konnte, war in Europa lange Zeit unbekannt. So blieb den Kaiser- und Fürstenhäusern nichts weiter übrig, als ihr Tafelgeschirr für viel Geld im fernen China oder Japan zu ordern. Immer wieder versuchten ernstzunehmende Alchimisten und auch manche unseriösen Gaukler, das Geheimnis der Porzellanherstellung zu lüften und fortan das begehrte »weiße Gold« in Europa herzustellen. Doch alle Versuche scheiterten. Erst dem jungen Apotheker Johann Friedrich Böttger sollte der Durchbruch gelingen. Kurioserweise war dieser Erfolg eigentlich einem Zufall geschuldet. Mehr noch: Dieser Zufall rettete Böttger vermutlich sogar das Leben. Der Überlieferung zufolge hatte er nämlich seinen Mund sehr voll genommen und August dem Starken erzählt, er könne aus unedlen Materialien pures Gold herstellen. Das ließ den Kurfürsten von Sachsen und späteren König von Polen aufhorchen. Der für seine höfische Prachtentfaltung berühmt-berüchtigte absolutistische Herrscher mit seiner ausgeprägten Sammelleidenschaft gab Johann Friedrich Böttger den Auftrag, Gold herzustellen. Sollte ihm das nicht gelingen, drohte ihm August der Starke mit dem Galgen. Natürlich schaffte es der Apotheker nicht, unedle Stoffe in Gold zu verwandeln. Dafür kam er hinter das Geheimnis der Porzellanherstellung. August der Starke war begeistert, als ihm Böttger im Jahr 1708 das erste in Sachsen hergestellte Porzellan überreichte. Zwei Jahre später wurde die Vorgängerin der heutigen Porzellanmanufaktur Meissen gegründet. Das zur Herstellung des »weißen Goldes« benötigte Kaolin wird bis heute in einem kleinen Bergwerk in Seilitz unweit der Stadt Meißen abgebaut.
Das Geheimnis der Herstellung - sorgsam gehütet
Das Know-how zur Herstellung von edlem Porzellan war bares Geld wert, weshalb man es wie ein Geheimnis hütete. Nur wenige Experten beherrschten diese Kunst. Man nannte sie Arkanisten – und sie fristeten ein wenig erstrebenswertes Dasein. Damit sie ihr kostbares Geheimnis nicht ausplauderten, wurden sie fast wie Gefangene behandelt. Einem jedoch gelang die Flucht aus Meißen: Der Arkanist Samuel Stöltzel setzte sich nach Wien ab. Im Gepäck hatte er die geheimnisvollen Rezepturen zur Herstellung des »weißen Goldes«. Mitten in der österreichischen Hauptstadt gründete er eine Porzellanmanufaktur, die alsbald zum Hoflieferanten der Habsburger avancierte.
In Meißen war man entsetzt über diesen »Verrat« und fürchtete, schon bald könnte in großem Umfang minderwertiges und billiges Porzellan auf den Markt kommen. Um die Authentizität des Meißner Porzellans sicherzustellen, führte man im Jahr 1722 ein Sicherheitsmerkmal ein: In die Unterseite der Produkte wurden zwei gekreuzte Schwerter eingebrannt und mithilfe einer blauen Unterglasurfarbe fälschungssicher gemacht. Das Logo nahm Bezug auf das Monogramm des Kurfürsten. Heute ist dieses Markenzeichen weltweit bekannt und steht für Produkte aus der Manufaktur Meissen.
Investmentkompass
Provenienz
Nur Porzellan, das von den ersten Adressen unter den Manufakturen stammt, eignet sich als Kapitalanlage. Und daran mangelte es in Deutschland und den Nachbarstaaten noch nie.
Hier die renommiertesten Manufakturen:
Manufaktur Meissen
Manufaktur Nymphenburg
Manufaktur Ludwigsburg
Manufaktur Fürstenberg
Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM)
Höchster Porzellan-Manufaktur
Porzellanmanufaktur Herend
Manufacture royale de porcelaine de Sèveres
Erhaltungszustand
Um gute Preise zu erzielen, muss das Porzellan von hoher Qualität und in einem 1a-Zustand sein. Unter Investment-Aspekten erscheint in erster Linie Porzellan der Manufaktur Meissen empfehlenswert.